ZEGG-Forum – eine Reise ins Herz von Gemeinschaft
Wahrheit ist der unmittelbare Kontakt zwischen dem,
der wahrnimmt und dem, was wahrgenommen wird.
W. Reich
Wachsen im Blick der Anderen
ZEGG-Forum ist eine gemeinschaftsbildende Kommunikationsform, die vor allem in bestehenden Gemeinschaften im In- und Ausland praktiziert wird. Es fördert Bewusstheit, essentielle Kommunikation und Vertrauen unter Menschen. Es bietet eine ganzheitliche und kreative Möglichkeit, sich im Rahmen der Gruppe auszudrücken. Es bietet einer Gruppe ein kreatives Instrument der Gemeinschaftsgestaltung und gemeinsamer Wertebildung. Es wurde von Dieter Duhm 1978 in der Gemeinschaft „Bauhütte“ als abgewandelte Form der Selbstdarstellung eingeführt. Seitdem hat es sich viel gewandelt.
ZEGG-Forum kreiert einen Raum für Fragen und für innere Bewegungen, die in der Alltagskommunikation meist unsichtbar bleiben: die wirklichen Handlungsmotive, die tiefer liegenden Gefühle, Körperempfindungen und unsere Intuition. Durch die Anteilnahme der Gruppe werden die gestellten Fragen zu einem Katalysator für das Wachstum des Einzelnen und der Gemeinschaft. ZEGG-Forum verfolgt vor allem Werte wie Selbstverantwortung, Mitgefühl, Kooperation, Authentizität und Wahrhaftigkeit. Im unterstützenden Umfeld des ZEGG-Forum können wir spüren, wie der Blick der Anderen dem Wachstum und der eigenen Ermächtigung dienen kann.
Wenn Gefühle versteckt werden, ist unsere Lebensenergie blockiert. Blockierte Lebensenergien führen zu Angst und Gewalt. Wir wollen ein Leben schaffen, wo Gefühle und Energien frei fließen können; ein Leben, wo wir Konflikte nicht vermeiden, sondern sie als Gelegenheiten betrachten gemeinsam tiefer zu gehen. Können wir mit dem Schmerz in uns präsent bleiben, mit dem Ärger oder der Freude? Bei kleinen Kindern können wir diese überraschenden Gefühlswechsel gut beobachten. Forum bietet einen fruchtbaren Boden für den Aufbau von tiefen Verbindungen.Wir machen kulturelle Arbeit mit dem Nebeneffekt der persönlichen Heilung und der Bewusstseins-Erweiterung.
Wie es anfing
Als die Gemeinschaft 1978 gegründet wurde, wollten wir eine neue Kultur schaffen, die frei ist von Gewalt und die mit der Natur kooperiert. Wir stellten viele soziale Konzepte unserer Gesellschaft in Frage. Dazu brauchten wir einen starken menschlichen Prozess, der Vertrauen unter uns schaffen und die Vorgänge in der Gruppe in einem gelebten sozialen Experiment für alle Beteiligten verstehbar machen konnte. Das war die Geburtsstunde von dem, was wir heute das ZEGG-Forum nennen. Das ZEGG (“Zentrum für Experimentelle Gesellschafts-gestaltung”) gründete sich 1991 als sozial-ökologisches Modellzentrum in Bad Belzig. Seitdem entwickeln wir das ZEGG-Forum laufend. Wir bauen damit ein empathisches soziales Umfeld auf, das uns dabei unterstützt mit allem präsent zu sein, was in uns ist, wie auch immer es sich anfühlt. Im "Schatten" liegt ein großer Schatz verborgen.
Es ist aber weit mehr als eine Methode, sondern ein kulturschaffender Vorgang, der auf Weltbilder aufbaut, denen menschliche und ethische Werte zu Grunde liegen. Es kann als "kulturelle Prävention" gesehen werden. ZEGG-Forum bereitet einen Paradigmenwechsel vor. Von einer Kultur, in der wir uns als abgetrennt handelnde Einzelne sehen, hin zu einer Kultur der Verbundenheit, wo wir auf die Verbindungen schauen zwischen allem, was lebt.
Inzwischen hat sich die Methode des Forums in die Welt hinein verbreitet. Gruppen haben den Prozess gelernt und nutzen ihn beim Aufbau ihrer eigenen Gemeinschaften. Für uns ist es eines der besten Werkzeuge, um den Zusammenhalt einer Gemeinschaft oder einer Organisation zu stärken.
Wachsen im Blick der Anderen
ZEGG-Forum ist ein tief greifender und intimer Prozess. Es schafft einen Raum von Öffnung und Vertrauen unter Menschen. Es geht darum, alles zu entdecken, was in uns authentisch, lebendig und wahr ist. Die Teilnehmer*innen erfahren die Freiheit und die Erlaubnis zu sein, wer sie sind und den Anderen zu erlauben sie so zu erleben. Oft sehen wir “den Blick der Anderen als den Tod meiner Möglichkeiten”. Im unterstützenden Umfeld des ZEGG-Forum können wir spüren, wie der Blick der Anderen der Heilung, dem Wachstum und der eigenen Ermächtigung dienen kann. Wir können die Erfahrung machen, dass Offenheit mein größter Schutz sein kann. Auf dieser inneren und äußeren Reise werden wir natürlich auch unseren alten Schmerzen begegnen, die in unserem Schatten liegen. Wenn wir es schaffen präsent zu bleiben, werden wir fähig, die aufsteigenden Gefühle anzunehmen und gestärkt weiterzugehen.
ZEGG-Forum unterstützt alle Beteiligten sich jenseits von Höflichkeit und den üblichen Versteckspielen zu bewegen. Ein Mensch, der verbunden ist mit seiner oder ihrer inneren Wahrheit, egal wie verletzt er/sie sein mag, ist immer schön und wird Liebe schaffen. “Sehen ist lieben” ist eine häufige Erfahrung unserer Arbeit.
Seit wir mit Forum vor mehr als 40 Jahren anfingen, hat es sich immer weiter entwickelt und verfeinert. Es ist eine Methode, die leicht viele andere Wege mit einbeziehen kann. Forum heute beinhaltet z.B. die empathische Weltsicht der Gewaltfreien Kommunikation (Rosenberg), die weiche Erforschung von Tiefenökologie (Macey), die repräsentative Arbeit des Familienstellens, spirituelle Gegenwärtigkeit (Hübl) und Processwork/Worldwork (Mindell).
Wie funktioniert es praktisch?
Im ZEGG-Forum gibt es drei wichtige Rollen: den Darsteller, die Forumsleitung und die “Spiegel”. Die Gruppe versammelt sich im Kreis. Die Darstellerin geht in die Mitte und teilt mit, was in ihr gerade vor sich geht und sie bewegt. Sie kann den gesamten Raum in der Mitte nutzen, sich bewegen, sprechen, spielen und sich mit ihren Gefühlen verbinden. Das einzige Ziel ist es, authentisch zu werden. In der Mitte können die Umsitzenden besser auf allen Ebenen “zuhören”, nicht nur verbal intellektuell, sondern auch die Bewegungen wahrnehmen und den Klang der Stimme und die Ausstrahlung einer Person. Dabei kann die Leitung unterstützend eingreifen, die Gruppe nimmt wahr, was geschieht und "spiegelt" es später.
Der Kreis unterstützt die Darstellerin mit seiner konzentrierten liebenden Präsenz als Zeuge. Es kann sehr kraftvoll und berührend sein, jemanden in der Mitte wahrzunehmen, der tiefer geht. Oft berühren die Themen des Einzelnen die Menschen im Kreis sehr und deren eigene Prozesse werden angestoßen. Wir erkennen, dass unsere eigenen inneren Vorgänge ähnlich sind und dass alles, was in der Mitte passiert, Beispielcharakter hat.
Die Forumsleiter*innen spielen eine zentrale Rolle und brauchen eine gründliche Ausbildung. Sie müssen selber authentisch werden und lernen, mit den Gefühlen dableiben zu können, die in ihnen selbst oder im Kreis aufkommen. Forumsleiter*innen sind wie Geburtshelfer, die den authentischen Prozess des Darstellers unterstützen. Idealerweise gibt es zwei Leiter*innen, eine Frau und einen Mann. Nur die Leitung interagiert mit der Darstellerin in der Mitte. Sie stehen im Vertrauen der Gruppe ihrer Erfahrung folgend zu handeln. Die Aufgabe der Forumsleitung ist es die persönliche Wahrheit einer Person, ihre Kraft und höchstes Potential hervorzulocken, damit sie und die Gruppe es wahrnehmen können.
Empathie - Unterstützung durch soziale Rückkopplung
Sobald die Darstellerin endet, können andere in die Mitte gehen und mitteilen, was sie wahrgenommen haben. Wir nennen das einen “Spiegel” geben. Es bedeutet, dass Menschen aus dem Kreis ihre Sichtweise und Beobachtungen anbieten. Aus der Systemtheorie wissen wir, dass alle lebendigen Systeme sich selbst steuern. Dazu benötigen sie natürlich Rückkopplung. Rückkopplung ist eine Grundqualität aller lebendigen Vorgänge in der Natur. Auf der Suche nach Selbsterfahrung ist soziale Rückkopplung ein unverzichtbares Geschenk. Der Spiegel wird in der Mitte gegeben, um zu unterstreichen, dass es der persönliche Blickwinkel dessen ist, der den Spiegel gibt. Jeder Spiegel ist subjektiv und das ist auch gut so. Die Darstellerin trägt die Verantwortung, die Spiegel anzunehmen oder zu verwerfen, je nach dem, ob etwas innere Resonanz erzeugt oder nicht. Selbst der beste Spiegel ist nur ein Wegweiser; er bewahrt uns nicht davor den Weg selber zu gehen.
Ein gutes und gelungenes ZEGG-Forum wird gefürchtete Schatten so hervorlocken, dass sie ohne Urteil wahrgenommen werden können. Manchmal ist der Energiewechsel sehr subtil, wenn z.B. die Forumsleitung den Darsteller einlädt, sich schneller zu bewegen, Gesten zu übertreiben oder Gefühlen einen Ton zu geben. Das humorvolle Einnehmen verschiedener Verhaltensweisen und das theatralische Spielen von emotionalen Vorgängen unterstützen den Darsteller, sich von seinen emotionalen Zuständen zu entkoppeln. Er lernt, dass er mehr ist als nur seine wechselnden Emotionen. Ein gutes Forum „überlebt“ man nicht, sondern man geht verändert daraus hervor.
Das ist Teil unserer Reise hin zu einem lebendigen Raum von flüssigen Beziehungen, Konflikten, Gefühlen und Freundschaften. Es ist sowohl eine innere wie auch eine äußere Arbeit, die auf dem fruchtbaren Boden von Vertrauen und Transparenz gedeiht, den das ZEGG-Forum schafft. Leben in Gemeinschaft hilft durch sein unterstützendes Umfeld für Entwicklung und sie bietet Kontinuität. Wir sehen das als einen Beitrag für die Welt, die wir schaffen wollen – eine Welt die sich tief aus den Herzen der Menschen entwickelt. ZEGG-Forum ist Teil der Verbindung, die unsere Gemeinschaft lebendig und zusammen hält. Es ist im Herzen der Gemeinschaft.
Achim Ecker and Ina Meyer-Stoll